Reisebericht Chile - Argentinien - Chile

01. - 30.11.2013 La Serena - Pucón - Paso Huahum (Chile) - San Martín de Los Andes - San Carlos de                                Bariloche - Trevelin (Argentinien) - Futaleufú - Puerto Aisén - Coyhaique (Chile)
Unterwegs nach Patagonien
Der Süden von Santiago nehmen wir im Eiltempo unter die Räder. Der Sommer in Patagonien entlang der Carretera Austral  hat einige Sehenswürdigkeiten und wir brauchen Zeit, wenn  die schlechten Strassen und Pisten wieder auf uns warten. Mittelchile ist  dicht be- siedelt und wirtschaftlich von Bedeutung. Die Landwirtschaft mit ihren grossen Obst- und Weinanbaugebieten sind allgegenwärtig. Südlich von Valparaíso nehmen wir die Küstenroute Algarrobo- El Quisco – Cartagena nach San Antonio. Auf grossen Wegweisern wird auf die „Ruta del Mar“ hingewiesen, doch für uns eher „Ruta del Beton“! Die zahlreichen, grossen  Betonbauten entlang des Pazifiks stehen direkt am Wasser und  lassen uns kaum einen Durchblick auf das Meer. Eine Küstenregion fast zugemauert, wie in diversen Mittelmeer-Regionen. Nur mit dem Unterschied, dass an den Sand- stränden keine Liegestühle in Reih und Glied aufgestellt sind. Wir quälen uns auf der Küstenstrasse durch den Wochenend-Verkehr, der fast ähnliche Dimensionen hat,  wie der Stau am Gotthard an Ostern. Wir würden die Küstenstrasse umbenennen: "Ruta del tráfico y hormigón"!
San Antonio
Fische, Pelikane, Seelöwen und am Abend zwielichtige Gestalten!
Wir übernachten nicht in San Antonio, davon wird im Reiseführer abgeraten. Es ist Sonntagvormittag. An der Hafenpromenade herrscht Hochbetrieb. Viele Besucher spazieren bei sonnigem, warmem Wetter entlang der sehr gepflegten Hafenanlage. Der Blick auf das grosse Hafengelände zeigt uns, dass auch am Wochenende die Arbeit nicht ruht. Auf zahlreichen Stofftüchern, auf dem Boden ausgebreitet, werden Souvenirs für Gross und Klein angeboten. Eine fast überdimensionierte Mall mit vielen Läden auf drei Stockwerken erfüllt  dem Sonntagseinkäufer alle Wünsche. Wir interessieren uns für den Fischmarkt, resp. für deren Abfallverwerter.
Gegen Mittag haben die riesigen Fischberge bereits abgenom- men. Da und dort werden die Verkaufstische wieder aufgefüllt mit feinen Köstlichkeiten. Das Angebot ist vielfältig. Rund um den gedeckten Fischmarkt warten Hunderte von Pelikanen und Seelöwen, die sich um die vielen Fischabfälle streiten. Auf den Felsen ruhen grosse, prächtige Seelöwen-Exemplare, die uns fast ein bisschen übergewichtig erscheinen. Auf dem Dach warten die Pelikane, bis der nächste „Fischabfall-Berg“ ins Meer geworfen wird. Pelikane und Seelöwen streiten im Wasser um die grössten Fischköpfe. Frisch zubereitet lassen sich die Meeresfrüchte gleich nebenan geniessen.
Viele Einheimische sitzen auf einem Kutter und warten bis die Rund- fahrt im Hafen startet. Wir geniessen das bunte Treiben entlang der Hafenpromenade. Die Country-Musik aus dem Lautsprecher be- gleitet mit Live-Gesang verstärkt die Freizeitstimmung der Be- sucher. Wir können unser Fahrzeug auf dem Parkplatz gut im Auge behalten, was uns wichtig scheint. Wie dieser Küstenstreifen in der Hochsaison bevölkert ist, können wir uns gut vorstellen. Wir neh- men Kurs Richtung Süden.
Salto del Laja
Etwa 70 km südlich von Chillán besuchen wir den grössten Wasserfall in Chile. Am späteren Nach- mittag beleuchtet die Sonne den ca. 100 Meter breiten  Wasserfall. Wir spazieren über die Brücke  des  Rio Laja und nehmen den kurzen Weg, der uns bis zu den tosenden Wassermas- sen führt. In einem grösseren Naturbecken schwimmen zwei Männer im kalten Wasser. Nur etwas für Hartgesottene, wir bleiben auf dem Trockenen. Die Wasserwand stürzt etwa 50 m in die Tiefe und je nach Standort und Wind wird alles nass. Nach den Salto del Laja verengt sich die Flussbreite rasch und das Wasser zwängt sich durch eine schmale Schlucht unter der Brücke durch. Wir steigen den Weg hoch zum Mirador und betrachten das Naturschauspiel von oben. Der Ausblick ganz in der Nähe der Wasserfallkante ist bei diesen Wassermengen doch sehr eindrucksvoll. Der Regenbogen in den fein zerstäubten Wassertröpfchen ist besonders reizvoll. Wir bleiben eine Nacht und fahren am nächsten Tag über Villarrica nach Pucón.    
Pucón–der Gauner an der Tankstelle hat nicht mit Regine gerechnet!
In Pucón, einer Kleinstadt am Lago Villarrica mit  internationalem Tourismus, heisst es auf der Hut sein. Ein wohlhabender Ort, der es doch nicht nötig hat, Touristen zu betrügen. Die rund 14'000 Ein- wohner leben doch direkt oder indirekt von den zahlreichen Ferien- gästen aus aller Welt. Nach zwei Übernachtungen auf dem Camping fahren wir zum Supermercado und etwas später zur Tankstelle. Eine Routineangelegenheit! Wir füllen den Dieseltank auf für 22‘000 Pesos (SFR 38.85) und den kleinen Benzinkanister  füllen wir eben- falls. Ab und zu auf sehr langen und abgelegenen Routen sind wir froh, wenn der kleine Honda i10 Generator uns am Abend mit Strom versorgt. Die Tanksäule zeigt 6'000 Pesos (SFR 10.60) für das Benzin. Der Tankwart rechnet beide Beträge zusammen und verlangt 38'000 Pesos.
Walter ist an diesem Vormittag noch nicht ganz wach, überreicht das Geld und erhält eine Quittung. Der Tankwart hat jedoch nicht mit Regines „Finanzkontrolle“ gerechnet. „Er hat uns um 10'000 Pesos (SFR 17.70) betrogen“, meldet Regine sogleich durch das Fenster. Ich pfeife den Tankwart zurück und rechne ihm auf dem Papier seine Zahlen zusammen. Dieser zückt ein dickes Notenbündel aus der Tasche und überreicht  uns eine 10'000 Pesos Note  ohne mit den Augenwimpern zu zucken. Vor Überraschung durch Regines Entlarv- ung bringt er kein Wort über die Lippen und zieht davon. Eine Tankstelle mit betrügerischen Angestellten, wir können  es kaum glauben. Tja, man muss immer und überall auf der Hut sein, kontrollieren und überprüfen. Auch wenn die Angestellten immer mit Gesten und Worten auf die Tanksäule hinweisen, dass der Zähler auf null steht, heisst das noch lange nicht, dass man nicht betrogen wird.
Während ich diese Zeilen schreibe, erhält Regine ein Mail von Reis- enden, die wir gut kennen und seit Guatemala in Mail-Kontakt stehen. Sie sind zurzeit in Viña del Mar in Chile. Ihre Nachricht löst bei uns ein ungutes Gefühl aus. Sie haben ihr Fahrzeug auf einem bewachten Parkplatz abgestellt. Trotzdem wird ihre sehr solide Reisemobilkabine aufgebrochen und geplündert. Die Frage ist be- rechtigt: Stecken die bezahlten Parkwächter und die Diebe unter einer Decke? Solche Nachrichten lassen uns aufhorchen und ver- anlassen uns noch mehr aufzupassen. Der Gedanke, dass man in Chile sicher und unbeschwert reisen kann, rückt in die Ferne! Wirklich schade!
Parque Nacional Villarrica
Der Nationalpark zeigt sich bei unserem Besuch nur von der Nebel- und Regenseite. Der bekannte Vulkan Villarrica mit seiner kleinen Rauchwolke sehen wir nur auf zahlreichen Bildern in Pucón. Die vielen Touranbieter warten auf Gäste. Doch in diesen Tagen geht kaum jemand ausser Haus. Der schneebedeckte Vulkankegel lässt sich mit einem Führer und entsprechender Ausrüstung (Steigeisen, Helm, Eispickel) besteigen. Das Wetter verspricht nichts Gutes. Eher an einen nassen, grauen, nebeligen und kalten Novembertag in der Schweiz. Auch der schwarze Sandstrand am Lago Villarrica ist menschenleer. Der Ferienort und seine Umgebung hat aber bei schönem Wetter einiges zu bieten. Doch die Aussichten für die nächsten Tage sind nicht gerade berauschend. Wir machen uns auf den Weg und fahren zum Lago Calafquén und Lago Panguipulli nach Puerto Fuy.
Puerto Fuy
Im sehr kleinen Dorf endet die Strasse am See. Der Blick auf die vergletscherten, schneebedeckten Vulkane Choshuenco 2415 m und Mocho 2422 m zeigt sich mit dem Dorf im Vordergrund fast wie ein Kalenderbild. Auf dem Lago Pirihueico verkehrt eine Autofähre, die auf dem langen, schmalen See die Strasse ersetzt. Ein kurzes Sommerhoch verspricht fürs Wochenende sonniges, warmes Wetter. So fahren wir am Sonntag um 12.45 Uhr auf die kleine Fähre die uns in 1½  Stunden ans südliche Ende des Bergsees Pirihueico bringt. Der See liegt traumhaft zwischen zwei Hügelketten die mit dichtem Urwald bewachsen sind. Vom Südufer führt eine 11 Kilo- meter lange Naturstrasse auf den Paso Huahum auf bescheidene 635 Meter zur argentinischen Grenze.  Von dort nehmen wir die 48 Kilometer am Lago Lacar nach San Martin de Los Andes, ein bekannter Ski- und Ferienort,  unter die Räder. Jetzt in der Nebensaison sind auf dieser Strecke gerade mal eine Handvoll Fahrzeuge unterwegs. Im Hochsommer Januar und Februar ist hier mit langen Wartezeiten zu rechnen, da die Fähre nur etwa 22 Fahrzeuge mitnehmen kann.   
Patagonien -  eine kräftige Windböe reisst uns aus dem Schlaf!
Noch ist Patagonien Neuland für uns. Wir sammeln erste Erfahr- ungen. Die Wetterkapriolen, wie Wind, Regen oder Kälte kennen wir vor allem aus Berichten von  anderen Reisenden. Etwas ausserhalb von San Martin de los Andes, direkt am Lago Lacar, übernachten wir auf einem einfachen Camping. Wir sind die einzigen Gäste. Der freundliche Besitzer heisst uns willkommen und verpasst gleich den „Sanitarios“ ein sauberes, gepflegtes Aussehen. Eine warme Dusche können wir um 20 Uhr geniessen, erklärt er uns. Er heizt den Ofen ein mit Feuerholz, so dass wir eine Stunde später unter der heissen Dusche stehen können. Das Wasser wird hier noch mit Brennholz erwärmt, nicht mit Gas oder Strom. Ein Superservice für nur zwei Gäste. Das Wetter ist trüb, windig und regnerisch! Der Wind pfeift mässig um unsere feste Kabine, drinnen ist es angenehm warm. Wie immer haben wir zum Schlafen unser kleines Dachfenster (50 x 50 cm)  in der Dauerlüftungs-Einstellung. Das heisst, das Kunststoff-Fenster hat einen Zwischenraum von ca. 2 cm zum Kabinendach. Somit ist die Frischluftzufuhr gewährleistet, bei jedem Wind und Wetter. In dieser Einstellung kann man aber das Dachfenster nicht arretieren, was bisher auch noch nie nötig war. Eine Arretierung gibt es erst, wenn das Fenster weiter geöffnet wird. Tja, da gäbe es für die Konstrukteure noch Verbesserungsverschläge.
Dass der patagonische Wind gleich in der ersten Nacht erbarmungs- los zuschlägt, überraschte uns. Es war morgens um 5 Uhr. Eine sehr kräftige Windböe schüttelte kurz unsere Kabine durch, dann gab es einen lauten Knall und wir waren beide hell wach. „Das kleine Dachfenster ist weg“, sagte ich noch schlafend zu Regine. Zum Glück regnete es nicht mehr und wir gingen auf die Suche nach den Überresten. Etwa 20 m vor unserem Auto lag das Kunststoff-Dach- fenster auf dem Boden. Total zerstört, zersplittert, drei Scharniere nur noch Schrott! Mit ein paar Laufmeter Spezial-Klebeband bastelten wir die Überresten zusammen und befestigten das Dachfenster auf dem Kabinendach mit noch mehr Klebeband. Regen- und Winddicht ist unser Provisorium, doch für patagonische Verhältnisse ist diese Massnahme nur von kurzer Dauer.
Von San Martin de los Andes fahren wir auf der Ruta 234 nach Villa La Angostura, dann auf der Ruta 231 nach San Carlos de Bariloche, wo wir zuerst den grossen Baumarkt aufsuchen. Normalerweise besucht man in dieser weltbekannten Touristenstadt, in der es an allen Ecken nach Schokolade und Pralinen duftet, zuerst die zahlreichen Süsswaren-Fachgeschäfte auf. Doch für uns gilt: Zuerst die Arbeit, dann die Süssigkeiten. Im Baufachmarkt finden wir die nötigen Holz-, Plexiglas-, Beschläge- Dichtstoff-, Farb- und Hilfs- materialien um ein solides, patagonien taugliches Dachfenster zu basteln. Auf dem Camping Petunia,  13,5 km ausserhalb Bariloche, schlagen wir für die nächsten Tage unser Camp auf. Der Blick auf den See ist traumhaft schön. Der Regen verzieht sich und ein Frühlingshoch breitet sich über dem tiefblauen Lago Nahuelhuapi aus. Gleich fünf Reise- und Expeditionsmobile aus der Schweiz und Deutschland treffen wir auf dem Camping. Auch  zwei rollende Hotels legen hier einen Zwischenhalt ein. Mit dem Bus lässt sich die Stadt am Rand der patagonischen Anden gut erreichen.
Mit dem Sackmesser, Schraubenzieher, der Eisensäge und ein paar anderen Werkzeugen entsteht ein robustes, verstellbares Dach- fenster, das den patagonischen Winden gewachsen ist. Für Ab- wechslung ist gesorgt. Wir besuchen mit Iris, Wolfram, Christa und Johann das Restaurant der Familie Weiss in Bariloche, wo wir uns kulinarisch verwöhnen lassen. Mit Elsbeth und Ruedi aus der Schweiz legen wir ein dickes, saftiges Stück Fleisch auf den Grill und tauschen Reiseinfos aus. Der Camping Petunia ist ein Traveller-Treffpunkt. Übers Wochenende besuchen auch die Einheimischen den Platz und den Strand. Es ist Nebensaison und der Besucher- strom hält sich in Grenzen. Im Winter ist Bariloche ein wichtiges Skizentrum. Stadt und Umgebung ziehen mit dem Slogan, die „Schweiz Argentiniens“ viele Touristen an.
Unser neues Dachfenster nimmt langsam aber sicher Gestalt an. Das schöne warme Wetter erlaubt gleich mehrere Farbanstriche. Eine Kartusche Dichtstoff hilft den Fensterrahmen staub- und was- serdicht zu montieren. In jeder geöffneten Stellung lässt sich das Fenster fixieren und der patagonische Wind hat keine Chance mehr. Jetzt haben wir Zeit durch die Stadt San Carlos de Bariloche zu flanieren, das uns an bekannte Ferienorte in der Schweiz erinnert. Dem feinen Schokoladen- und Pralinen-Duft  können auch wir nicht widerstehen und lassen uns bei Kaffee, Kuchen und anderen Süssig- keiten ein wenig verwöhnen.
Auf dem Circuito Chico, einer rund 60 Kilometer langen Rundfahrt, entdecken wir eine schöne, abwechslungsreiche Insel- und Seen- landschaft, die touristisch gut erschlossen ist. Strände, Aussichts- punkte, hügelige Wälder, Wanderwege und feine Hotels lassen kaum Ferienwünsche offen.  In dem kleinen Ort „Colonia Suiza“ sind die Campingplätze noch geschlossen, die Saison beginnt erst im Dezember. Dafür erinnern uns alle Kantonswappen aus der Schweiz, die an einem Chalet schön aufgemalt sind, an unsere Heimat. Nach einer Woche Aufenthalt in Bariloche fahren wir zum südlichen Ende des Lago Mascardi wo wir den Nationalpark Nahuel Huapi besuchen. Der Monte Tronador und sein schwarzer Gletscher wollen wir aus der Nähe sehen.
Nationalpark  Nahuel Huapi
Etwa 70 Kilometer südwestlich von Carlos de Bariloche, am süd- lichen Ende des Lago Mascardi, biegen wir von der Ruta 40 ab und besuchen den Nationalpark Nahuel Huapi. Die 50 Kilometer lange Naturstrasse nach Pampa Linda ist teilweise schmal, bietet aber ein schönes Bergpanorama. Die Strasse ist auf ca. 30 Kilometer nur einspurig befahrbar mit Ausweichstellen. Die Zeiten für die Berg- resp. Talfahrten sind auf einer Tafel am Parkeingang notiert. Am späteren Nachmittag erreichen wir den Mirador, 8 Kilometer nordwestlich von Pampa Linda. Der Blick auf den schwarzen Gletscher ist grossartig. Schwarzes Eis, eine Beson- derheit. Der höchste Gipfel, der Cerro Tronador mit 3478 m, zeigt sich besonders schön in der Abendsonne. Ab und zu donnern Eisbrocken zum tieferliegenden schwarzen Gletscher.
Der grosse Manso-Gletscher schiebt sich über eine breite hohe  Abbruchkante, wo die Eisbrocken unten einen neuen Gletscher bilden, den Ventisquero Negro. Das abgebrochene Eis vom Manso-Gletscher vermischt sich unten mit Schutt und vulkanischen Sedimenten, so dass der neue untere Gletscher sich in einem tiefen Schwarz präsentiert. Wirklich ein- malig! Der blaue Himmel und die Abendsonne ver- zaubern die Umgebung in eine Bilderbuchlandschaft. Im grünschimmernden Gletschersee schwimmen grosse schwarze Eisbrocken. Für ein Fotoshooting mit dem schwarzen Eis haben wir zu viel Gegenlicht. Wir übernachten in Pampa Linda, das nur eine Hand- voll Häuser und einen Campingplatz hat. Noch bevor am nächsten Tag die Sonne ihre ersten Strahlen über die hohen Bergkanten schiebt, stehen wir wieder auf der Aussichtsplattform.
Der schwarze Gletscher spiegelt im Gletschersee. Das laute Donnern lässt uns immer wieder zur Abbruchkante des oberen Manso-Gletschers auf- blicken, wo wir die Eisabbrüche in den tieferliegen- den Steilstufen beobachten können. Gegen Mittag parkieren die ersten kleinen Tour Busse auf dem Parkplatz. Wir verstauen unsere Liegestühle und treten die Rückreise an. Doch erst um 16 Uhr wird die Schranke in Pampa Linda geöffnet und die Talfahrt freigegeben. Noch im Nationalpark am Lago Mascardi stellen wir unser Fahrzeug direkt am See auf dem Camping ab und legen ein feines Filet auf den Grill. Unser erster Ausflug in der Region Patagonien war ein Highlight.
Nationalpark Los Alerces
Südlich von El Bolsón verlassen wir die Ruta 40 und fahren über Cholila nach Villa Rivadavia zum Parkeingang. Die Ruta 71 führt uns entlang am Lago Rivadavia und Lago Futalaufquén zum kleinen Ort Villa Futalaufquen. Diese Strecke ist bei gutem Wetter ein Traum. Die Fernsicht in die schneebedeckten hohen Berge und die schönen klaren Seen umgeben von dichtem Wald lassen uns kaum vorwärtskommen. Ja, wenn das Wetter stimmt, ist das Reisen in Patagonien traumhaft. Der Nationalpark trägt den Namen eines Baumes, dem Alerce, der auch unter dem Namen Patagonische Zypresse bekannt ist. Der Baum wächst sehr langsam und erreicht ein hohes Lebensalter.
Der Stammdurchmesser kann mehr als drei Meter betragen und sein biblisches Alter von 2000 Jahren und mehr ist eine Besonderheit. Die Rinde ist rötlich bis dunkelbraun und tief eingerissen. Das Holz des Alerces-Baumes ist sehr hart und wertvoll. Er wächst im Umfang nur etwa einen Millimeter im Jahr. Die Bäume entlang der Strassen wurden praktisch ausgerottet, bis sie unter Schutz gestellt wurden. Heute ist der internationale Handel mit Alerce verboten. Um grössere Exemplare zu bestaunen muss man mit dem Schiff weiter in den Nationalpark eindringen. Die ältesten Bäume im Nationalpark schätzt man auf etwa 3000 Jahre.
Eine andere Baumart die uns immer wieder fasziniert ist die Araukarie. Sie wachsen in den höheren Bergregionen in Chile und Argentinien. Im Nationalpark entdecken wir eine grössere Gruppe Bäume. Die Araukarie ist ein immergrüner Baum. An jungen Bäumen sind die Blätter nadelförmig. Die ausgewachsenen Bäume haben ihre Äste mit schuppenförmigen und ledrigen Blättern bestückt. Die Blätter sind scharf zugespitzt. Die Bäume werden mehrere hundert Jahre alt. Die Chilenische Araukarie wird auch Schuppentanne, Andentanne oder als Affenschwanzbaum bezeichnet. Die Araukarien wachsen sehr langsam.
Als Nutzholz wurden meist etwa 500 Jahre alte Bäume verwendet und mit Wuchshöhen zwischen 30 und 40 Metern und einem Stammdurchmesser zwischen 1-2 Meter war die Holzausbeute ausgiebig. Die sehr dicke Borke bietet der Araukarie Schutz vor Feuer. An einem sehr schönen Exemplar entdecken wir mehrere kugelige Blütenzapfen an der Oberseite der Zweige. Das Kernholz ist ockergelb und unterscheidet sich farblich kaum vom Splintholz. Der Handel mit Araukarien ist weltweit ver- boten. In Chile wurde ein Nutzungsverbot erlassen.

Unterwegs zur Carretera Austral in Chile
Von Villa Futalaufquen fahren wir über Trevelin zum Grenzübergang nach Chile  am Paso Futaleufú. Beid- seitig der Strasse blühen Ginsterbüsche und Lupinen. Nach dem Grenzübergang führt eine einsame, kur- venreiche Naturstrasse durch eine hügelige, schöne Berglandschaft. Im Rio Futaleufú blicken wir von einer Hängebrücke auf eine Rafting-Gruppe mit mehreren Booten. Sie erhalten gerade letzte In- struktionen, wie die kommenden wilden Strom- schnellen zu meistern sind. Der Rio Futaleufú ist bekannt für Rafting-Touren. Wir bleiben aber im Trockenen und meiden das kalte Nass. Für dieses nervenkitzelnde Abenteuer müssten wir doch ein paar Jährchen jünger sein. Der Blick von der Hängebrücke ins reissende, wilde Flusstal genügt uns. Der Ausblick über den Lago Yelcho in die schneebedeckte  Bergwelt ist sehr schön. Vom Grenzübergang Futaleufú bis nach Villa Santa Lucia zur Carretera Austral sind es rund 75 Kilometer.
Carretera Austral
Die rund 1350 Kilometer lange Strasse von Puerto Montt nach Villa O’Higgins hat viele Gesichter. Sie verbindet kleine und grosse Orte auf chilenischer Seite Richtung Süden. Früher war der Süden nur durch Schiffe und Flugzeuge zu erreichen. Der Panamericana-Highway führte über Argen- tinien nach Feuerland. Der Strassenbau auf chilenischer Seite ist sehr aufwändig. Mehrere kilometerlange Bau- stellen wechseln ab mit noch längeren, schmalen Schlag- lochpisten durch eine kurvenreiche Bergwelt. Wir haben Glück, die Pisten sind meist trocken, die Sonne zeigt sich immer wieder hinter dem wolkenverhangenem Himmel. Überholende und kreuzende Fahrzeuge hinterlassen eine Staubfahne, die die Sicht auf die Strasse beeinträchtig.
Im kleinen Städtchen La Junta besuchen wir den Dorfladen, um Früchte, Gemüse und andere Lebensmittel einzukaufen. An der Chilenischen Grenze werden Früchte, Gemüse, Käse, Fleisch, Eier, Butter und andere Lebensmittel konfisziert. Die Einfuhr ist verboten und wir haben gelernt mit leerem Kühlschrank die Grenze zu passieren. Wir stehen im kleinen Dorfladen und erinnern uns an unsere frühste Kindheit. Mitten drin steht ein kleiner Holzofen, der das Ladenlokal erwärmt. Ein paar Holzscheite genügen, dass die Kunden im Laden nicht frieren. Wir schauen uns um. Die Lebens- mittelauswahl ist auf die einfachen Grundbedürfnisse der Dorfbe- wohner ausgerichtet. Die Auswahl fällt einem nicht schwer, da es nicht viel zum Auswählen gibt. Das Gemüse- und Früchtegestell in der Grösse von etwa einem Meter in der Länge, ca. 80 cm breit und vielleicht einen 1,5 Meter hoch beherbergt das Sortiment. Ein paar Tomaten, Gurken, Zwiebeln, Kartoffeln, Äpfel und überfällige Birnen liegen in den kleinen Kisten. Nicht viel grösser ist die Kühlvitrine mit etwas Käse, Schinken und Milchprodukten.
Direkt an der Kasse liegen zwei verschiedene Tafeln Schokoladen unter der Glastheke. In einem Sack entdecken wir Brot.  An den Wänden sind die Gestelle mit Teigwaren, Reis, Büchsen und anderen Produkten aufgefüllt. Tja, die Auswahl fällt leicht, das Einkaufen noch leichter! Wir sind zufrieden, dass unser Magen in den nächsten Tagen nicht knurrt!
Wir übernachten im Nationalpark Queulat. Der schöne Wanderweg durch den Urwald zum „hängen- den Gletscher“ Ventisquero Colgante, resp. zum Aussichtspunkt, nehmen wir am nächsten Tag unter die Füsse. Der Gletscher zeigte sich zwar nebelverhangen, doch der Urwaldpfad mit seinen grossen Flechten an den Bäumen,  den Farn-, Bambus- und Pangue-Pflanzen versetzte uns immer wieder ins Staunen. Über Puerto  Cisnes und Puerto Aisén erreichen wir Coyhaique, die Hauptstadt der Region Aisén.
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