Reisebericht Kanada / USA

01. - 31.08.10 Anchorage - Victoria (Vancouver Island)
Anchorage... wo die farbenprächtigen Blumen blühen!
Die Hälfte der Einwohner in Alaska leben in Anchorage und Umgebung. Mit rund 280'000 Einwohner ist die Stadt wirklich gross in der Wildnis. Hinzu kommen noch ca. 1000 Moose und rund 250 Schwarzbären die in der Umgebung bis an die Stadtgrenze leben. Wir haben uns auf dem stadtnahen Golden Nugget Camper Park eingerichtet und besuchen das Stadtzentrum. Die bunte Blumenpracht entlang den Strassen, in Rabatten und vielen aufgehängten Blumenkübeln überraschte uns. Anchorage im Zentrum eine Blumenstadt. Sehr sauber, aufgeräumt und gepflegt begegnet uns die grösste Stadt in Alaska. Für einen kurzen Moment unterbricht der Regen und im Nu leuchten die Hausfassaden entlang der 4 th Ave. in der Umgebung des Visitor Center.
Wir decken uns ein mit Unterlagen über die Kenai Peninsula. Einen ersten Abstecher unternahmen wir zum Lake Hood Float Plane Harbor. Die grosse Welt der Wasserflugzeuge. Wo man hinschaut, überall Kleinflugzeuge in allen Varianten. Auf dem See starten und landen die kleinen Flieger fast im Minutentakt, obwohl der nassgraue Himmel kein Flugwetter verspricht. Was geht hier ab, wenn die Sonne scheint? Unser Campnachbar meinte am Vorabend zu uns, es sei der grösste Wasserflugzeughafen der Welt. Bei gutem Wetter gebe es rund 800 Starts und Landungen pro Tag. Da muss was los sein!
Ganz in der Nähe starten die Kleinflugzeuge auf einer kleinen Piste. Nur ein paar Schritte entfernt liegt der internationale Airport, wo reger Betrieb ist. Mit einem kleinen Wasserflugzeug in Alaska unterwegs sein, überall auf dem Wasser starten und landen können...da muss die Freiheit wohl grenzenlos sein...
Im Anchorage Guide lesen wir: "During the Gold Rush of the 1890's, there was no town here. Just a point where ships bringing gold miners "anchored". (vor Anker gehen) So wurde später der Ort Anchorage, Ankerplatz, genannt. So versteckt sich hinter manchem Ort ein bisschen "the Gold Rush".
Am Cook Inlet unternahmen wir einen längeren Walk durch den Kincaid Park. Durch die schöne Wildnis führt ein Velo- und Wanderweg entlang der Küste. Kaum unterwegs entdeckten wir eine Moose beim Fressen. Aus nächster Nähe betrachten wir das schöne Tier. Zwischendurch blickte sie auf und verriet mit ihrem Blick, bitte nicht näher kommen! Nun ja, 1000 Moose sollen in der weiteren Umgebung zuhause sein. Wenn Bären, Moose und Menschen im Einklang mit der Natur leben, fast ein kleines Paradies.
Mitten unter den Salmon-Fischern
Die Kenai Peninsula südlich von Anchorage ist eine Traumwildnis. Entlang des Sterling Highways passieren wir im Herzen der Halbinsel Seen und Flüsse. Am Russian River, kurz vor seinem Zusammenfluss mit dem Kenai River, fragen wir nach einem Platz auf dem Campground. Es ist Wochenende, Ferienzeit und Hochsaison der Lachsfischer. Der Platz ist voll belegt, ohne Reservation geht's auch in dieser Wildnis nicht. Nur zwei Meilen weiter haben wir Glück. Auf dem Kenai-Russian River Angler Access bekommen wir für 11.25 Dollar ein 24 Stunden Ticket, das auch zum Übernachten berechtigt. Nur im Fahrzeug übernachten, warnte uns der Chef am Parkeingang. Wir sind im Bärengebiet und Nachts kommen sie auf den Parkplatz.
Wir sind direkt am Ort, wo der Russian- und der Kenai-River zusammenfliessen und die Lachse in grosser Zahl gegen die Strömung schwimmen. Beidseits des Flusses stehen Mann und Frau bis zu den Hüften im Wasser und es wir gefischt, was die Angelrute hergibt. Eine kleine Personenfähre bringt die Fischer ans andere Flussufer. Auf mehreren 100 Metern stehen die Lachsfischer verteilt und werfen ihre Angel mit einer Eleganz in den reissenden Fluss. Sie ziehen Fische am Laufmeter und manch einer hat bereits einen Jahresvorrat in seiner Tiefkühlbox. Wir werden von den Fischern herzlich begrüsst. Doch wir stehen etwas Quer in der Landschaft ohne Angelrute und Fischerhosen. Zwischendurch bringen Alt und Jung ihre Prachtsexemplare zum Filetiertisch. Dieser steht im Fluss und mit grosser Routine wird der Fang zerlegt.
Nur das Feinste rosa Leuchtende wird verpackt und in Eis gelegt. Alles Andere wird in den Fluss zurückgeworfen. Es ist bereits 23.15 Uhr und ein paar Fischer stehen immer noch im Fluss. Wird da die ganze Nacht durchgefischt, fragten wir uns. Wir sind in Baer Country, alle Fahrzeuge und Camper sind eingezäunt. Hier ist der Bär in der Freiheit und der Lachs gehört im. "Letzte Nacht ist ein grosser Grizzli um mein Fahrzeug gestreift", berichtet unser Nachbar, ein leidenschaftlicher Fischer! "Wenn wir ein Geräusch hören in der Nacht", fügte er hinzu, "sofort aufstehen und aus dem Fenster schauen, es ist bestimmt ein Bär." Nun verstehen wir auch, warum der Parkchef uns ernsthaft gefragt hat, ob wir wirklich im Auto schlafen. Jedes Aufstellen von Zelten ist verboten.
Für uns ein magischer Ort, mitten unter den Berufs- und Hobby-Fischern zu übernachten. Es ist bald Mitternacht. Die Fischer sitzen und stehen rund ums Feuer und plaudern. Die Stimmung ist fröhlich und man spürt aus ihren Worten und Gesten förmlich das Fischerglück. Nun verstehen wir, dass man auf dem Campground nur drei Nächte bleiben darf, so haben andere Fischer auch noch eine Chance für einen tollen Fang.
Die Lachs Saison ist kurz. Auf Tafeln wird über das Lachsfischen informiert. Vorschriften, Gesetze und viel Wissenswertes über die Fische. Eine Schutzbrille tragen beim Fischen, ich stutze und schaue mich um. Tatsächlich fast alle tragen eine Schutzbrille. Ich lasse mich aufklären. Die Fischer stehen so nahe beieinander, die Angel wird dauernd in den Fluss geworfen und deshalb warnt ein Schild, Augenverletzungen durch den Angelhaken vorzubeugen. Eine Frage sticht mir ins Auge: Wieviel Fischbrut überlebt von den rund 3000 Eiern die ein Lachs im sandig-steinigen Flussbett ablegt? Text und Bilder zeigen das Lachsleben auf. Kurz zusammengefasst: Von den 3000 Eiern gibt es etwa 400 Salmon-Fischbrut im Russian River. Davon gelangen aber nur ca. 100 Winzlinge bis ins Meer. Jahre später kommen 6 davon als Erwachsene in den Russian River zurück. Zwei davon überleben lange genug um zu laichen.
Laute Töne bei den Fischern überraschen. Wenn ein Prachtsexemplar von der Angel springt und im Fluss das Weite sucht, ertönen schon mal kräftige Worte. Nun wissen wir, von wo der feine Alaska Wildlachs kommt.
Unterwegs nach Homer sahen wir am Strassenrand "The Dreamer's Woods". Seine schönen Kunstwerke, aus Zedern- und Fichtenholz, standen auf einem grossen Areal. Im Freien arbeitete der Künstler mit verschiedenen Kleinmaschinen. Wir kamen mit ihm ins Gespräch und er meinte, dass er schon weit über 700 solche Weisskopfadler gestaltet und verkauft habe. Alles bearbeitet er aus einem Stück Stamm, meist aus Zedernholz, dieses wachse aber nicht hier. Wir schauten ihm eine Weile zu und waren überrascht von den feinen Bildhauerarbeiten. Bis ins kleinste Detail werden diese Schmuckstück ausgearbeitet. Während wir seine Kunstwerke auf dem Areal bestaunten, kamen weitere Besucher von der Strasse. Ein schönes, grosses und einladendes "Schaufenster" an der Strasse, da laufen die Kunden direkt in die Freiluftwerkstatt des Künstlers!
In Kenai besuchten wir die alte russisch-orthodoxe Kirche mit den drei Zwiebeltürmen. Infolge Renovationsarbeiten war der Kirchenraum geschlossen. So machten wir einen Rundgang vorbei an den sehr alten Häusern in der Umgebung. Auf dem Sterling HWY erreichten wir den Anchor Point. Wir sind bis ans Ende der Anchor River Road gefahren und haben den westlichsten Punkt Nordamerikas, auf durchgehender Strasse, erreicht. Wir sind über den Landweg vom Atlantik zum Pazifik gereist. In den nächsten paar Wochen gehts dann Richtung Süden.
In Homer, dem südlichsten Zipfel der Kenai Peninsula fahren wir auf die 7 km lange, schmale Landzunge, dem Homer Spit. Dort empfängt uns das maritime Alaska mit viel Wind und wolkenverhangenen Bergen, aber von einer wilden Schönheit. Alaska Wetter, wo bleibt der blaue Himmel? Es herrscht Hochbetrieb auf dem Spit. Beidseits der Strasse stehen die Fahrzeuge in einer langen Blechschlange und verschandeln den letzten Kilometer auf der Kenai-Halbinsel. Die meisten Campgrounds, besser gesagt, Abstellplätze ohne Komfort, sind ausgebucht.
Wir parkieren auf einem neuen, fast leeren Platz und wundern uns, warum hier nur ein paar Wohnmobile stehen. Wenig später verliessen auch wir die pickfeine, teppichbelegte Rezeption. Regine besuchte vorher noch das WC und meinte: "Alles nur vom Feinsten, nicht einmal spülen musste ich, alles geht automatisch!" Kunststück: Wenn man für einen Stellplatz 73 Dollar für eine Nacht hinblättern soll. Wir sagten höflich Danke, but it's too much! Die Saison ist kurz und wo es geht, kassiert man ab. Kurze Zeit später sind wir auf dem State Camp in Anchor Point für 12 Dollar. Ein Traumplatz mit Wildlife live.
Nach dem Nachtessen entdeckten wir einen Adler auf einer Fichte nahe unserem Stellplatz. Durch hohe Büsche und Gras hindurch nähere ich mich dem prächtigen Vogel. Es ist schon spät. Das Tier im grauen Hintergrund ist kaum eine Foto wert. Schade! Doch was habe ich da gehört? Eine Moose streckte vor mir den Kopf über das hohe Gras. Ich laufe zum Auto zurück und Regine stellt schnell die Videokamera auf. Wir standen beim Fahrzeug. Ruhig blickten wir in die Busch- und Graswelt hinaus. Es war ca. 22.30 Uhr als die Moose-Mama bei uns aufkreuzte, begleitet von zwei Jungtieren. Keine zehn Meter von uns entfernt sind alle drei am Äsen. Fast bewegungslos schauen wir den ruhigen Tieren zu. Wir sind tief beeindruckt, was für eine wunderbare Welt, die wir hier erleben. Es sind für uns diese grossartigen Momente, die Massstäbe zurechtrücken. Wo wir ein Gefühl wahrnehmen, das in unserer Lebensweise kaum mehr Raum hat: Demut! Einfach unbeschreiblich! Wir machen ein paar Fotos und Videoclips, obwohl es eigentlich zu dunkel ist. Fasziniert schauen wir dem Nachwuchs zu, wie sie mit ihren dünnen langen Beinen der Mutter schrittweise folgten und neugierig ihre Köpfe nach uns drehten. Später überquerten sie die Strasse, wo wir sie alle drei im Bild festhielten. Mit diesen traumhaften Bildern im Kopf legten wir uns dann später aufs Ohr.
"Halibut Fishing Capital of the World" nennt sich Homer. Als wir am nächsten Tag den Spit besuchen, sind die grossen Fische bereits aufgehängt und werden vor den Augen der Touristen ausgenommen und zerlegt. Alles geht mit Routine. Mit messerscharfen Werkzeugen wird filetiert, während wir immer noch über die Grösse der Fische staunen. Obwohl sich das Wetter eher garstig unfreundlich zeigte, besuchten wir ein kleines "Flightseeing Tour" Büro und erkundigten uns über einen Flug zu den Bären. Für zwei Personen, meinte die Dame hinter dem Schreibtisch, gibt es erst am nächsten Sonntag wieder freie Plätze. Und Heute ist Montag! Das Geschäft läuft! Eine Woche in Homer ist definitiv zu lang. Zum Glück, wie es sich Wochen später herausstellte.
Wir fahren zurück, Richtung Seward, wo die grau schwarzen Wolken immer tiefer kamen und sich entleerten. An der Uferstrasse standen viele Reisemobile, ausgerichtet aufs Meer. Keine Sicht aufs Wasser. Regen und Nebel, unfreundlicher gehts nicht mehr. So kam uns das Alaska Sea Life Center gelegen, um dem Dauerregen zu entkommen. Eine Vielzahl heimischer Tiere aus dem Golf von Alaska durften wir kennenlernen. Einen interessanten Vortrag über verwaiste und kranke Tiere, die im Sea Life Center gepflegt werden, beeindruckte uns. Die Tiere werden später wieder in der Wildnis ausgesetzt, wenn sie gesund und stark sind. Dabei werden sie mit Sendern für die Forschung ausgerüstet. So sahen wir auf Karten wie Seals gewaltige Strecken im Meer zurück legten. Grau und nass verliessen wir am späteren Nachmittag Seward und nahmen Kurs Richtung Whittier.
Kurz vor dem kombinierten Eisenbahn- / Strassentunnel vor Whittier machten wir einen stündigen Boardwalk. Ein kleiner See, wo im Frühling viele Ducks, Geese and Crames brüten, verschaffte uns Bewegung. Regine lief etwa 50 Meter voraus, während ich mich den schönen farbigen Pilzen im nassen Wald widmete. Plötzlich eilte Regine bleich und aufgeregt zu mir zurück und sagte: "Da vorne in der Kurve ist mir ein Schwarzbär über den Weg gelaufen!" Obwohl Video- und Fotoapparat in der Hand, gabs keine Aufnahmen, nur ein Herzklopfen und Rückzug. So liefen wir dann ein Stück der Fahrstrasse entlang zum Parkplatz. Nicht umsonst heisst der Campground in unmittelbarer Nähe "Black Bear Campground". Durch den 4 km langen, einspurigen Tunnel, wo auch der Verkehr nach Fahrplan rollt, verstummte unser Gespräch über Bärenbegegnungen. Wir schauten dem winzigen Lichtblick am Ende des Tunnels entgegen. Der Tunnelausgang in Whittier erscheint uns wie ein kleines dreieckiges Haus. Doch der Hafen ist nur durch diesen Tunnel zu erreichen. Whittier ist kaum einen Besuch Wert, wäre da nicht die Fähre nach Valdez durch den Prinz William Sound.
Am Freitag Morgen standen bereits zahlreiche Fahrzeuge in der Hafeneinfahrt. Das Wetter immer noch grau und nass besserte sich. Die sechs stündige Fahrt, vorbei an eindruckvoller Landschaft mit vielen Inseln, Gletschern und Waldgebieten, bleibt unvergesslich.
Auf der sehr langsamen Fahrt durch das mit Eisschollen versetzte Gebiet standen wir auf Deck. Über weite Strecken gleiteten die grossen und kleinen Gletscher-Abbrüche verstreut auf dem offenen Meer. Für uns ein besonderes Erlebnis, mitten durch die Eisschollen zu fahren. Noch ungewöhnlicher war für uns, dass eine Rangerin an Board mehrere Kurzvorträge mit Bilddokumenten zum Besten gab. Viele Infos zur Tierwelt, Gletschern und dem "Exxon Valdez Oil Spill" von 1989 bereicherte unsere Reise. Mit einem feinen Salmon - Nachtessen beendeten wir unsere erste Schifffahrt in Alaska. Aus weiter Ferne erblickten wir das Ende der Trans-Alaska Pipeline in Valdez. Aus den Reiseunterlagen entnehmen wir: "Valdez... often called Little Switzerland and likened to Hawaii's lush landscape."
Auf dem Richardson Highway erblickten wir zwischen Nebel und Wolken die hohen Berge rund um den Keystone Canyon. Nur kurz nach dem Thompson Pass schlugen wir unser Nachtlager auf. Im dichten Nebel, mitten in unberührter Natur, schliefen wir ein. Am andern Tag besuchten wir den Worthington Glacier und studierten die Schautafeln zur Geologie.
Die Wolkendecke verzog sich langsam und in der Gegend von Glennallen setzte sich blauer Himmel durch. Es wurde Zeit, dem Alaskatief den Rücken zukehren, denn mit Wärme und Sonnenschein wurden wir nicht verwöhnt. In Tok erfuhren wir erneut, dass die Strasse von Chicken nach Dawson City wieder gesperrt ist, bereits zum dritten Mal! Niemand wusste für wie lange und wann eine Durchfahrt möglich ist.
Es gab keine andere Wahl. Warten, oder den weiten Umweg fahren. Die erste Strassensperre war vor über vier Wochen...da musste doch etwas Grösseres passiert sein. Wir entschieden uns für den Umweg: Tok - Whitehorse - Dawson City. Für alle die den Yukon nicht flächenmässig präsent haben, hier ein kleines Beispiel. Auf schweizerische Verhältnisse etwa so: Wenn ich von Bern nach Zürich fahre, nehme ich den Umweg über Paris in kauf. Auch nicht schlecht. Aber ohne den Besuch von Dawson City verlassen wir den Yukon nicht.
Zum Glück gehört die Route entlang dem Kluane Lake bis Haines Junction zu den schönsten Abschnitten des Alaska Highways. In Whitehorse, wo wir uns als Einheimische fühlen, ergänzten wir unsere Vorräte und besuchten nochmals den Adlerhorst.
Die jungen Adler sind recht gross. Sie standen am Nestrand und verspeisten Kleintiere. Mit kräftigen Flügelschlägen zeigten sie sich fast in voller Grösse. Die grösste Windfahne der Welt steht in Whitehorse. Die auf einem Sockel montierte Douglas DC3 dreht sich im Wind. Unter dem Flugzeug stehend schauten wir der Windfahne zu. Der Flieger drehte sich knarrend aber sanft in die korrekte Windrichtung. Eindrücklich und originell.
Dawson City... zum Dritten!
Am späten Nachmittag, nach letzten Infos im Visitor Center, rollten wir auf dem North-Klondike Highway Richtung Dawson City. Die Strasse zwischen Chicken und Dawson City ist immer noch gesperrt. Viele Reisende müssen ihre Routenwahl ändern. Der Yukon Naturführer beschreibt die Strecke nach Dawson City mit vielen interessanten Details. An der Mündung des Klondike River in den Yukon entstand zwei Jahre nach der Entdeckung der ersten Goldklumpen im Bonanza Creek aus dem Nichts eine Metropole. Man schrieb das Jahr 1898. Höhepunkt des Klondike-Goldrausches. Damals hatte Dawson City etwa 40'000 Einwohner. Doch nur vier Jahre später war das "Paradies des Nordens" auf ca. 5'000 Seelen geschrumpft. Heute zählt man in der Hauptstadt und Umgebung des Yukon Territory ca. 1'900 Einwohner.
Das Besondere: Ganz Dawson City ist seit den frühen 60er Jahren eine kultur historische Stätte von nationaler Bedeutung. Zahlreiche Gebäude stehen unter Kulturgüterschutz. Unsere Reise ist lang. Sie führt durch eine einsame, hügelige Waldlandschaft, die wir aber aufmerksam beobachten. Vorbei am Fox Lake und Carmacks, wo sich die Landschft in ein malerisches Sumpfgebiet verwandelt. Kurze Zeit später kochten wir ein feines Curry und übernachteten bei den "Five Finger Rapids", die einst gefürchteten Stromschnellen auf dem Yukon River. Die Abendsonne leuchtete mit den letzten Strahlen die weite Umgebung aus. Die Aussicht ist grossartig.
Die Five Finger sind fünf grosse Felsen, die im Fluss stehen. Einst eine wichtige Schlüsselstelle für die Boote und Raddampfer. Aus alten Fotos entnehmen wir, dass dieser Flussabschnitt später mit Hilfe eines Sicherungsseils passiert wurde. Später in Dawson City sahen wir einen alten Film, wie die Raddampfer diese Passage an einem Stahlseil meisterten. Damals Abenteuer pur!

"Drunkenforest" (Betrunkener Wald)
Schon von weitem sahen wir die Bäume, die quer in der Landschaft standen. Wir hatten den Eindruck, als ob hier ein starker Sturm die Bäume in ihre Schieflage gebracht hätte. Doch die Ursache liegt anders. Die vielen Schwarzfichten und Papierbirken wachsen in sehr schlecht entwässerten Böden. Im Untergrund herrscht Dauerfrost. Wenn die Erde auftaut, lehnen sich die Bäume in verschiedene Richtungen und haben den Anschein betrunken zu sein. Ihr Wurzelwerk findet keinen Halt mehr im aufgetauten Boden. Der Klondike Highway ist in gutem Zustand. Doch ab und zu treffen wir auf Strassenabschnitte, wo die Frostwellen deutlich spürbar sind.

Etwa 15 km vor Dawson City sah ich etwas im See schwimmen, rechts der Strasse. "Da vorn im Wasser bewegt sich was, vielleicht ein Biber", sagte ich zu Regine. Wir halten am rechten Strassenrand an und wollen die Kamera zur Hand nehmen, als aus dem Grünstreifen zwischen Strasse und See ein stattlicher Schwarzbär vor unserem Auto auftauchte. Er überquerte die Strasse und kletterte einen sehr steilen Hang hinauf und verschwand zwischen den Büschen und Bäumen. Also doch kein Biber! Wir waren so überrascht, dass es kein brauchbares Foto gibt. Ein Bär im Wasser schwimmend aufnehmen, wäre also unser nächstes Ziel.
Dawson City... geschafft!
Der Gold Rush Campground ist gut besetzt mit Reisenden und Fahrzeugen aller Art. Über zehn Touristen aus der kleinen Schweiz, kaum zum Glauben. Die Meisten auf einem Ferientrip, andere für längere Zeiten auf der Panamericana unterwegs. Wir spazierten am späten Nachmittag der Front Street entlang und bestaunten die farbigen, restaurierten Hausfassaden. Auf dem Yukon River drehte ein Raddampfer seine Tour mit ein paar Touristen an Board. Die SS Keno, ein Schaufelraddampfer liegt auf dem Trockenen und erinnerte uns an das Reisen, als es noch keine Strassen nach Dawson City gab. Im Dawson City Museum erhielten wir einen guten Einblick in das harte Leben der Minenarbeiter von damals. Interessante Fotos, Filme und Alltagsgegenstände aus der Goldrauschzeit beeindruckten uns. Besonders die Originalfilme aus dem Klondike Gold Rush setzte uns in vergangene Zeiten zurück.
Die Gold Dredge, ein Relikt aus dem Jahre 1912. Der 94 m lange Eimerketten-Schwimmbagger mit Holzrumpf blickt auf eine fast 100 jährige Geschichte zurück. Er war von 1912 bis Ende der 50er Jahren im Einsatz. Ein 2700 Tonnen schweres Ungetüm für die Durchspülung goldhaltigen Gesteins. Allein schon wie man das gigantische Material damals auf dem Yukon River transportierte, hörte sich wie eine Abenteuergeschichte an. Die Funktionsweise: Schwimmend das Gelände mit grossen Eimern, die an einer Kette verbunden sind, abgraben. Das goldhaltige Gestein durch eine grosse und lange Siebröhre "the Screen" gleiten lassen, auswaschen und dabei den feinen Goldstaub auf speziellen Jutenstoffen sammeln.
Grosse Stromerzeuger, angetrieben von heissem Dampf, zeugen noch heute vom damaligen Pioniergeist. Das ausgewaschene Gestein wurde auf der Rückseite des Schwimmbaggers wieder aufs Gelände verteilt. Noch heute sieht man die grossen aufgetürmten Gesteinswülste. Über eine Stunde dauerten die sehr ausführlichen Infos zur Gold Dredge und dem Lockruf des Goldes. Dank einer Schulklasse wurden alle Details bis ins Kleinste erklärt. Für uns eine Klondike Goldrausch Geschichtsstunde vom Feinsten!
Auf den Spuren der Goldsucher...
Ein kleiner Ausschnitt zum Thema Chilkoot Pass aus dem Alaska Yukon Heft. Da heisst es unter anderem:
"...Der steile Anstieg zum Chilkoot Pass war alles andere als ein Zuckerschlecken für die grösstenteils unerfahrenen Goldsucher. Lawinen, Unterkühlung, Krankheiten und allgemeine Erschöpfung forderten ihren Zoll. Die letzten Kilometer zur Passhöhe mit ihrer 45-Grad Steigung waren so unwegsam, dass Stufen in den eisigen Schnee geschlagen werden mussten... auf der Passhöhe, wo sich die Landesgrenze zwischen den USA und Kanada befindet, liessen die Gesetzeshüter nur diejenigen passieren, die eine Tonne an Lebensmitteln und Ausrüstung mit sich führten, genügend um ein Jahr im harschen Klima des Yukons zu überleben. Zu den Vorräten gehörten unter anderem 350 Pfund Mehl, 150 Pfund Speck, sowie je 100 Pfund Zucker und Bohnen. Dies bedeutete, dass jeder der zukünftigen Goldsucher 20 bis 40 Mal den Pass hoch und wieder runter musste bis er alle seine Habseligkeiten auf kanadisches Territorium befördert hatte. Dass auch sperrige Güter wie Gusseisenöfen und Klaviere über den Chilkoot geschleppt wurden, erstaunt noch heute...."
Die Auffahrt zum Midnight Dome 887 m darf man nicht verpassen. Die vom Yukon und Klondike geformte Flusslandschaft ist fantastisch. Die Panoramasicht vom Hausberg auf die umgegrabenen Goldfelder und die schachbrettartig angelegte Stadt hat ihren besonderen Reiz. Könnte man hier das Rad der Geschichte um 100 Jahre zurückdrehen... wir würden einen Einblick in das "Reisen" von damals erhalten...
Drei Nächte in Dawson City, aber nur einen Abend im "Diamond Tooth Gertie's Gambling Hall". Die Rekonstruktion eines Saloon von 1898 ist ausgestattet mit Glücksspiel, einem Honky-Tonk-Klavier und schönen Sänger- und Tänzerinnen. Bis in die frühen Morgenstunden spielt Mann und Frau, Jung und Alt Roulette, Pocker oder Black Jack. Die Can-Can Shows aus der guten alten Zeit bringt dreimal eine halbstündige Unterbrechung des Spielbetriebs.
Als wir gegen 20.15 Uhr den Saloon betraten waren wir überrascht von den vielen Besuchern. Kein Stuhl mehr frei, randvoll war der Saal. Hinten bei den einarmigen Banditen fanden wir noch zwei Hocker. Um 20.30 Uhr startete die erste Einlage der Show... fast wie vor hundert Jahren... wären da nicht die fein gekleideten Touristen. Als dann im zweiten Showblock noch eine hübsche Sängerin zu mir an den Tisch kam, stieg mein Puls leicht an. Bis gegen Mitternacht schauten wir dem bunten Treiben an Spieltischen und Bühne zu.
Schweren Herzens verzichtete Regine auf einem Hocker bei den Spieltischen Platz zu nehmen. Sie war sich nicht sicher, ob ihr Glücks-Spiel an diesem Abend positiv oder negativ auf unser Reisebudget ausfallen würde. Vielleicht auch gut so... sonst wären wir jetzt schon wieder zuhause! Wie unsere Zukunft in Dawson City aussehen könnte, ist in der Bildergalerie vom Monat August zu erfahren.
Am zweiten Abend sassen wir mit Peter und Ursi aus der Schweiz zusammen und plauderten über das Reisen bei einem Glas Wein. Am dritten Abend vergrösserte sich der Kreis der Landsleute. Dawson City eine beliebte Reisestation der Schweizer? Zusammen auf der Campground Sitzbank tauschten wir Neuigkeiten aus der Heimat und von unterwegs aus, bis gegen Mitternacht.
Bestimmt, ohne die Goldfelder wäre Dawson City nicht, was es ist. Wo schon vor über 100 Jahren Sand- und Schottermengen durchwühlt wurden, schürfen heute noch immer Unentwegte nach dem gelben Metall. An einer grossen Hausfassade entdeckten wir ein Gedicht vom Yukon Poeten Robert Service.

THE SPELL OF THE YUKON
I WANTED THE GOLD, AND I SOUGHT IT;
I SCRABBLED AND MUCKED LIKE A SLAVE.
WAS IT FAMINE OR SCURVY - I FOUGHT IT:
I HURLED MY YOUTH INTO A GRAVE:
I WANTED THE GOLD AND I GOT IT -
CAME OUT WITH A FORTUNE LAST FALL:
YET SOMEHOW LIFE'S NOT WHAT I THOUGHT
AND SOMEHOW THE GOLD ISNT ALL.



Von Dawson City über Whitehorse nach Skagway.
Die Wetterprognosen für die nächsten Tage sind gut. Zügig fahren wir auf dem Klondike Highway zurück nach Whitehorse und füllen unsere Lebensmittelvorräte auf. Die rund 160 km lange Strecke nach Skagway ist einzigartig und gehört zu den schönsten Routen im kanadischen Norden. Am Ende des türkis leuchtenden Emerald Lake bogen wir von der Strasse ab. In einer kleinen Waldlichtung nahe am See übernachteten wir. Ein Traumplatz für uns allein.
Der Ort Carcross, dessen Name eine Kurzform für "Caribou Crossing" ist, liegt an der schmalsten Stelle zwischen Bennett- und Nares Lake. Hier überqueren die Caribous während ihrer alljährlichen Migration die Seen. Der kleine Ort wirkt herausgeputzt und einladend. Rund um den alten Bahnhof erfahren wir Geschichtliches von längst vergangenen Zeiten. Die alte "Duchess", eine kleine schwarze Dampflokomotive wurde für den Kohletransport gebaut. Sie beförderte zwischen 1899 und 1919 Menschen und Güter auf der Taku-Tram-Strecke. Die Duchess zog in kleinen Waggons die Fahrgäste vom Tagish Lake zur Scotia Bay am Atlin-See. Die Strecke war nur etwa 6 km lang, aber so steil, dass der Duchess oft der Dampf ausging und die Passagiere die kleine Lokomotive anschieben mussten. Und da es an der Scotia Bay keine Wendemöglichkeit gab, tuckerte die kleine Lok die ganze Strecke im Rückwärtsgang zurück. Das waren noch Zeiten, so zu Reisen!
Nach dem White Pass überquerten wir die Grenzstation und sind wieder in den USA/Alaska unterwegs. Noch 23 km bis Skagway. Die hochaufragenden Berge und der langgestreckte Fjord Lynn Canal zeigten sich im schönsten Abendlicht. Unser nächster Traum: Die Inside Passage.
Während der Goldrauschzeit hatte die Stadt Skagway 20'000 fieberhafte Goldsucher. Heute leben noch 862 unentwegte ganzjährig hier. Die kleine Stadt ist überschaubar, gepflegt und mit seinen sehr schönen alten Häuser ein Bijou.
Nun sind wir schon dreieinhalb Monate unterwegs. Es wird Zeit für eine Pause. Urlaub vom Reisen. Die Inside Passage, ein allseitig empfohlenes Highlight auf dem Nordamerika Trip ist ein "Muss". So berichten uns immer wieder Reisende, die von dieser Schifffahrt begeistert waren.
Es ist Samstagnachmittag, wir stehen im Schiffs-Terminal und fragen nach einem Platz auf der Fähre. Die Dame hinter dem Schalter verlangte die Pässe und tippte ein paar Daten in den Computer. Ein paar Minuten später haben wir ein Ticket in der Hand mit dem Hinweis: "Morgen um 05.45 Uhr in der Line 5!" Wir hatten Glück, ein Ticket für den nächsten Tag in der Hochsaison ist aussergewöhnlich. So stellte Regine den Wecker auf 04.30 Uhr und nach dem Morgenessen reihten wir uns auf dem grossen Parkplatz in der Line 5 ein. Für uns eine besondere Schiffsreise, dauert sie doch volle drei Tage durch eine wunderschöne Landschaft.
Inside Passage von Skagway über Juneau nach Prince Rupert
Ein schmaler bis nach British Columbia reichender Küstenstreifen Alaskas nennt sich "The Alaska Inside Passage". Auf dem Schiffsrouten-Plan wird vermerkt: Here is one of the last great adventure coasts left. Wahrhaftig, die Fähre gleitet entlang von dicht bewaldeten Berghängen und Gletschern. Nach sechs Stunden müssen wir in Juneau umsteigen. Abends versorgen wir unseren kleinen Camper im grossen Schiffsbauch der M/V Matanuska. In Sitka, Petersburg, Wrangell und Ketchikan macht die Fähre einen Zwischenhalt. Diese Orte sind nur mit dem Schiff erreichbar und sehr beliebt für ein paar Tage Aufenthalt.
Das Wetter ist fantastisch. Blauer Himmel und Sonnenschein. Wir verbringen zwei Nächte auf dem gut eingerichteten Schiff. Das Sonnendeck ist entsprechend gut belegt. Am späten Abend lege ich mich auf eine Sonnenliege und decke mich mit einer Wolldecke zu. Ein begehrter Übernachtungsplatz auf dem grossen Deck. Die Insider haben ihre Schlafsäcke bei sich und die Erfahrenen stellen gleich ein kleines Igluzelt für die Nacht auf. Ja, fast ein Mini-Campground auf See. Gewusst wie, ist alles! Regine versuchte in einem Schlafsessel für die kurze Nacht ein bisschen Ruhe zu finden.
Wir fahren vorbei an schneebedeckten Bergen und Gletschern, die sich vom blauen Himmel abheben. Hin und da streckt ein Wal seine Flossen aus dem Wasser oder die Luftblase zeigt seine Position. Die Rangerin hatte ein breites Publikum bei ihren Kurzvorträgen, die sie mit Bildern und Fotos dokumentierte. Von der Gletscherwelt über die Seeadler bis zu den vielfältigen Meeresbewohner wusste sie viel Interessantes zu berichten. Ein Otter- oder Robbenfell in die Hand nehmen und den Unterschied spüren gehörte ebenso zu ihren Ausführungen. Die Schifffahrt geniessen und erst noch über die Natur etwas Erfahren hat ihren besondern Reiz. Immer wieder drehen wir ein paar Runden auf Deck und bestaunen die grossartige Insellandschaft. Wir halten Ausschau nach Walen, Delphinen und Seelöwen. Meist ertönte zuerst die Stimme im Lautsprecher vom Kapitän, wenn es auf dem Wasser wieder etwas zu Entdecken gab. Für uns kaum zu fassen, drei Tage gleiten wir an fast unberührter Wildnis vorbei.
Von Prince Rupert nach Steward / Hyder
Auf dem Cassiar Highway zwischen Kitwanga und Meziadin Junction nehmen wir Kurs in das kleine Indianerdorf Gitanyow. Wäre da nicht eine sehr schöne Gruppe alter Totem Poles, würden kaum Besucher diesen Ort aufsuchen. Wir lieben solche Orte. Allein auf dem Gelände die kunstvoll bearbeiteten Baumstämme zu betrachten und versuchen ihre Symbolik ein bisschen zu verstehen, ist spannend. Die Totempfähle werden aus einem einzigen Zedernstamm geschnitzt und identifizieren die Abstammungslinie einer Familie.
Der Totempfahl ist allerdings mehr als ein historisches Piktogramm, das die gesamten Ahnen darstellt. Wir können solche Totem Poles nicht entziffern. Deshalb suchen wir nach Tieren, wie Adler, Biber, Rabe, Schwarzbär, Lachs oder Frosch. Sie alle haben eine Symbolik. Der Adler kennzeichnet Intelligenz und Macht, während der Rabe Bosheit und Durchtriebenheit repräsentiert. Die hohen schön geschnitzten Kunstwerke zeigen uns ein Stück Vergangenheit, wir können sie nicht deuten und verstehen, nur bestaunen.
Schon lange wollten wir die Bären beim Lachsfressen sehen. An den meisten Orten werden Touren für teures Geld mit Booten, Bussen oder Flugzeugen angeboten. Von andern Reisenden erfahren wir, dass ihre Tour mehr auf Abzocken statt auf Bären ausgerichtet war. Es geht aber auch anders. So sehen wir bei der Abzweigung in Meziadin Junction die vielversprechende Tafel: Hyder, home of the glaciers and world famous bearviewing. Wir lassen uns überraschen. Steward, umringt von hohen Gipfeln, liegt in Kanada, Hyder in Alaska. Beide Orte liegen nahe beisammen und es gibt nur den kanadischen Zoll. Unser Augenmerk gilt dem 6 km nördlich von Hyder gelegenen Fish Creek. Hier können wir die Bären beobachten solange wir wollen, ohne eine Touristentour zu buchen. Auf der grossen, langen Aussichtsplattform über dem Fish Creek können wir den ganzen Tag bleiben und auf die Bären warten. Das Ticket kostet 10 Dollar und ist für drei Tage gültig. Ranger überwachen das grandiose Naturschauspiel und haben auch ein Auge auf die Besucher. Now, we are in bear country!
Ein kleines Paradies!
In Hyder, nur unweit entfernt von Steward, schauen wir dem Leben, Werden und Vergehen direkt in die Augen. Im Fish Creek schwimmen die prächtigen Lachse gegen die Strömung. Hier an ihrer eigenen Geburtsstätte laichen sie, um dann zu sterben. Im klaren flachen Wasser liegen viele tote Fische überall verstreut. Grizzlies und Schwarzbären mit ihren Jungen haben hier ein leichtes Spiel. Fisch um Fisch wird hier verspeist. Fluss auf und ab wird gejagt, die Salmon stieben im flachen Wasser auseinander. Wir schauen den laichenden Lachsen zu. Zwischendurch beobachten wir Fische, die im seichten Wasser die letzten Sprünge und Bewegungen vor ihrem Tod machten. Dann blieben sie reglos im Wasser liegen.
Der Fish Creek ist übersät von toten Lachsen an denen sich die Vögel um die besten Stücke streiten. Das täglich Schauspiel dauert von Mitte Juli bis Anfang September. Auf einer Aussichtsplattform oberhalb des Flusses können wir drei Tage lang das Bühnenspiel beobachten. Stundenlang ist es im Fluss ruhig, nur die Laichbewegungen im flachen Wasser sind da und dort hörbar. Zeigten sich die Bären im Fluss, hörte man nur noch das Klicken der Kameras. Weder Bären noch Adler lassen sich aber durch die Zuschauer stören. Die Lachse im Fish Creek gehören den Bären, eine wichtige Nahrungsquelle für den langen Winter. Eine nachdenkliche, traurig und schöne Geschichte über Leben, Sterben und neues Leben. Das Naturschauspiel geht unter die Haut!
Auf der Inside Passage von Prince Rupert nach Port Hardy, Vancouver Island.
Auf dem Landweg von Hyder nach Vancouver um von dort in den Norden der Insel fahren, passte nicht in unser Routenkonzept. So entschieden wir uns für die 16 stündige Schifffahrt von Prince Rupert nach Port Hardy, das im Norden der Insel liegt. Das Wetter spielte diesmal nicht mit, doch die Fahrt durch die schmalen Inselpassagen war auch bei grauem Himmel ein Erlebnis. Wir nutzten ein paar Stunden um die Homepage zu aktualisieren. Um 23.30 Uhr legte die Fähre in Port Hardy an. In einem Waldstück etwas ausserhalb des Hafens liessen wir uns dann in den Schlaf wiegen.

Auf Entdeckungsreise von Norden nach Süden.
Vancouver Island ist eine beliebte Ferieninsel und mit 450 km Länge und 100 km Breite hat sie sehr grosse Wildnisgebiete. Im feuchten Klima gedeihen üppige Regenwälder mit beeindruckenden Beständen an Fichten, Zedern, Douglas- und Hemlocktannen. Sogar die alte Technik verschluckt der Regenwald langsam aber sicher! Ungewöhnlich für uns ist der dichte Verkehr auf den Hauptachsen. In Alaska und dem Yukon Territory hatten wir ja meist fast verkehrsfreie Strassen und wir konnten unser Auge auf die Umgebung richten. Auf Vancouver Island ist der konstante Blick in den Rückspiegel ein Muss.
Telegraph Cove
Die besondere Atmosphäre des kleinen Ortes liegt darin, dass die Handvoll auf Stelzen stehenden Holzgebäude rund um den Hafen ein besonderes Erscheinungsbild abgeben. Alles wirkt sehr touristisch und jede Gelegenheit ist gut genug, um den Besuchern ein paar "Loonies" abzuknüpfen. So kann man im abgelegenen, ehemaligen Telegrafenort nicht mehr kostenlos sein Fahrzeug abstellen. Und will man hier mit dem eigenen Kanu auf Wasser gehen und die schöne Umgebung auskundschaften, so kostet dies bereits ein paar Dollars! Die Touristen-Abzocke lässt grüssen, aber ohne uns.
Auf einem grossen Rundholz-Verarbeitungsplatz fahren wir aufs Gelände und schauen zu, wie die Arbeiter die grossen und langen Baumstämme ausmessen und sortieren. Auf grossen Trucks bringen sie das Rundholz aus der Umgebung. Auf dem Wasser schwimmen sortierte Rundholzpakete. Der Duft der Nadelhölzer stieg uns in die Nase und über die beachtlichen Durchmesser der Stämme waren wir überrascht. In grossen Gebieten wird der Wald aufgeforstet und es entstehen neue Baumplantagen. Über weite Strecken sehen wir auch dürre und kahle Baumbestände. Im "Great Bear Rainforest Agreement" wurde 2001 mit Indianern, Umweltschützern und der Holzindustrie der vollständige Erhalt von 20 Regenwaldtälern im gleichnamigen Waldgebiet vereinbart.
Sayward ist uns ans Herz gewachsen!
Dort wo die Strasse nicht mehr weitergeht und die Fischer Abends vom Steg aus ihr Glück versuchen, liegt ein ganz kleiner, hübscher Campground. Nur 10 Plätze, günstig, sehr sauber und mit Self-Registrieren ist alles schnell erledigt. Wir fühlen uns Wohl, der Blick auf das Meer gerichtet sitzen wir beim Frühstück. Es klopfte an der Tür. Unser Nachbar machte uns auf Wale aufmerksam.
Im Nu stehen wir auf dem Dock und unsere Blicke schweifen übers Wasser. In der Ferne sehen wir Wale, doch Regine möchte Wal- und Orca- Watching aus nächster Nähe. Das kommt noch, nur ein wenig Geduld, versprach ich. Nur ein paar Meter entfernt sind die Fischer an der Arbeit. Nach 14 Stunden auf See werden grosse Mengen an Salmons von Hand gezählt, gewogen und in Boxen auf Eis gelegt. Wir kommen schnell ins Gespräch und wir fühlen uns Willkommen.
In dieser Nacht machte ihr Schiff einen guten Fang, meinte die Frau mit den Fischbuchhaltungs-Papieren. 1800 Fische mit je einem Gewicht von ca. 2,5 kg und mehr. Sie werden in Boxen schichtweise auf Eis gelegt und sorgfältig plaziert. Schon am Vorabend sahen wir viele gefüllte Boxen am Strassenrand. Ein gutes Jahr für die Fischer meinte sie zu uns. Schon gestern erklärte uns ein Fischer, dass im Jahr 1958 das letzte Mal ein solch gutes Fangjahr gewesen sei. Sie haben im Radio darüber berichtet. Wir schauten dem bunten Treiben lange zu und bekamen einen Einblick in die Arbeit der kleinen Berufsfischer.
Hier gehört die Welt den wenigen Einheimischen die vom Fischfang und von der Forstindustrie leben. Solche Orte lieben wir. Schnell, einfach und ganz spontan ist man mit den Leuten in Kontakt, ohne dass man immer wieder ein paar "Loonies (Dollarmünzen) hinblättern muss. Herzlichkeit kostet eben nichts. Der kleine Fischerort Sayward ein Bijou und eine Welt für sich.
Auf der Küstenstrasse fuhren wir über Courtenay zur Qualicum Beach. Von dort gings über den Highway 4 Richtung Tofino. Im MacMillan Provincial Park machten wir einen Zwischenstopp und bewunderten ein kleines Regenwaldgebiet. Die bis zu 75 m hohen Douglastannen, zum Teil mit einem stattlichen Alter von gegen 800 Jahren, sind nur auf einem vorgegeben Trail zu besichtigen. Der Spaziergang durch den Cathedral Grove ist zwar kurz, aber nicht weniger eindrücklich. Viele umgestürzte Baumriesen sind das Werk des Sturms aus dem Jahre 1997. Deshalb sollte man bei stürmischen Winden den Wald nicht betreten.
Bei Sonnenuntergang spazierten wir an der Long Beach entlang und schauten den Wellensurfern zu. Der Strand ist traumhaft schön. Die farbigen Felsen in der Abendsonne und das zahlreiche Treibholz entlang der Küste laden ein zum Fotografieren. Die Long Beach ist sehr beliebt bei den Wochenendbesuchern aus der Stadt. Deshalb waren alle Campgrounds in und um Tofino "full".
Wir können es kaum glauben. Vier Monate sind wir jetzt schon wieder unterwegs. Die Erlebnisse und Eindrücke der vergangenen Wochen müssen sich erst einmal setzen. Reisen ist Sehenlernen. Ja, wir sehen und lernen täglich viel. Das macht es spannend. In Chemainus auf dem Parkplatz hatten wir ein langes Gespräch mit einem Ehepaar in unserem Alter aus Deutschland. Sie waren in den letzten Monaten von Buenos Aires über Feuerland nach Alaska unterwegs. "Ihr macht es richtig", meinte sie und fügte hinzu: "Je weiter ihr nach Süden reist, umso mehr steigern sich die Höhepunkte!" Hinten auf ihrem Reisemobil, unten bei der Stossstange stand:

                                           Zum Arbeiten zu alt, zum Sterben zu jung, zum Reisen topfit!

 

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